Häufige Irrtümer zum Thema Nabelschnurblut
Ob im Geburtsvorbereitungskurs oder im Gespräch mit Freunden – als werdende Eltern sind Sie dem Thema Nabelschnurblut sicher schon begegnet. Die einen schwärmen davon, was mit Nabelschnurblut-Stammzellen bereits machbar und was künftig möglich sein soll. Andere glauben, dass man noch gar nicht so weit ist. Um Ihnen das Verständnis zu erleichtern, haben wir die häufigsten Irrtümer rund ums Nabelschnurblut zusammengetragen und erläutern die Hintergründe.
Nabelschnurblut kann nicht bei Erwachsenen angewendet werden…
Auch Erwachsene können mit Nabelschnurblut behandelt werden. 2010 wurden weltweit etwa 47% aller gespendeten Nabelschnurblute Erwachsenen transplantiert*. Jedoch gilt: Je größer das Körpergewicht des Patienten, desto mehr Stammzellen werden benötigt. Im Einzelfall wird deshalb die vorhandene Zellzahl im Präparat ermittelt. Derzeit werden in klinischen Studien Verfahren zur Vermehrung von Nabelschnurblut-Stammzellen intensiv erprobt. Für den Bereich der Regenerativen Medizin ist die benötigte Stammzell-Menge oft noch nicht genau bekannt. Hier genügen möglicherweise bereits weniger Stammzellen, um z. B. bestimmte Selbstheilungsprozesse im Körper zu aktivieren (z. B. bei Herzinfarkt) oder Gewebeersatz herzustellen.
Ärzte behandeln Patienten nicht mit ihren eigenen Stammzellen, da sie die Krankheit schon enthalten könnten…
Eigene Stammzellen werden bei den meisten Therapien bevorzugt. Der große Vorteil: Sie werden vom Körper als eigen wieder erkannt und nicht abgestoßen. Bei körperfremden Stammzellen kann es dagegen zu Abstoßungsreaktionen kommen. In Europa wurden im Jahr 2009 eigene Stammzellen in ca. 60 % aller Stammzelltransplantationen angewendet**. Aber woher rührt dieses Vorurteil? Es gibt Erkrankungen, die genetisch veranlagt sind (z. B. Leukämie, bestimmte Blut- oder Stoffwechselerkrankungen). In diesen Fällen werden fremde Stammzellen angewendet, um das Risiko zu vermeiden, die Krankheit erneut auszulösen. Auch bei Leukämien werden bevorzugt fremde Stammzellen eingesetzt, weil diese Leukämiezellen angreifen können. Für die meisten Krankheiten, bei denen Stammzellen zum Einsatz kommen, sind jedoch nicht genetische Veranlagungen, sondern äußere Einflüsse, wie etwa eine ungesunde Lebensweise oder Umweltgifte die Ursache. Hier sind eigene Stammzellen für eine Transplantation in der Regel die erste Wahl.
Nabelschnurblut kann nicht ein Leben lang gelagert werden…
Werden die Stammzellen sorgfältig aufbereitet und eingelagert, kann Nabelschnurblut theoretisch über Jahrhunderte aufbewahrt werden. Das haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik bestätigt. Durch die Lagerung des Blutes bei fast minus 200 Grad kommen die Stoffwechselprozesse der Zellen fast zum Erliegen. Sie fallen dabei in eine Art „Dornröschenschlaf“. Taut man sie später für eine Anwendung auf, sind sie immer noch so jung wie am ersten Tag.
Wenn man Stammzellen benötigt, kann man auch die aus dem Knochenmark verwenden…
Nabelschnurblut gewinnt nicht ohne Grund weltweit an Bedeutung. Dass in vielen Regionen, zum Beispiel in Japan, heute schon häufiger Nabelschnurblut anstelle von Knochenmark verwendet wird, liegt an seinen einzigartigen Vorteilen. So ist Nabelschnurblut einfach und völlig risikolos zu entnehmen und gut verträglich. Ein anderer, sehr wichtiger Punkt ist, dass unsere Stammzellen mit uns altern und dabei an Potenzial und Leistungskraft verlieren. Deswegen werden zum Beispiel über 55-jährige nicht mehr zur Knochenmark-Spende zugelassen. Kältekonservierte Nabelschnurblut-Stammzellen bleiben dagegen jung und unbelastet, bis sie aus dem Kälteschlaf geweckt werden.
Man kann das Nabelschnurblut an eine öffentliche Bank spenden und erhält es später zurück, wenn das eigene Kind es braucht…
Ihr Kind könnte das gespendete Nabelschnurblut nur zurückbekommen, wenn es in der Spendebank tatsächlich eingelagert wurde. Gegenwärtig werden von Spendebanken nur ca. 10 – 15 % aller gespendeten Präparate eingefroren, der Rest wird aus Kostengründen verworfen. Wurde das Nabelschnurblut eingelagert, heißt das dennoch nicht, das Ihr Kind bei Bedarf darauf zugreifen kann. Wurde das Nabelschnurblut bereits bei einem anderen Erkrankten angewendet, steht es nicht mehr zur Verfügung. Bei einer privaten Bank hingegen bleibt das Blut Eigentum Ihres Kindes. Hier entscheidet jeder selbst, ob und wie lange er das Nabelschnurblut aufbewahren möchte.
Im Gegensatz zur Nabelschnurblut-Einlagerung für das eigene Kind ist eine Spende des Nabelschnurblutes kostenfrei…
Jede Aufbewahrung von Nabelschnurblut, also auch die Spende, kostet Geld. Bei einer Nabelschnurblut-Einlagerung für das eigene Kind tragen die Eltern die Kosten. Dafür haben sie auch das alleinige Verfügungsrecht. Bei der Spende entstehen den Eltern zwar keine direkten Kosten, über die Beiträge zur Krankenversicherung sind sie dennoch daran beteiligt. Wenn ein Patient gespendetes Nabelschnurblut benötigt, zahlen die Kliniken dafür Abgabegebühren um 20.000 EUR an die Spenderbank. Über diese Gebühren wird der größte Teil der Kosten bei der Spende gedeckt, weshalb sie für Eltern kostenlos ist.
* netcord.org
** 2009 European Group for Bone Marrow Transplantation (EBMT) survey